Mystic-Legends – Artikel: [Ort] Margra Lok

Inhalt

[Ort] Margra Lok

Dunkle Fahnen wehten im Wind, Marschmusik schallte durch die schneebedeckten Berge der westlichen Karuschei – ein Heereszug der Gradrechi. Gerade erst hatten sie die "Gläserne Passage" – die zugefrorene Meeresenge zwischen Pak'Sha und Dalatur – hinter sich gebracht und waren nun froh, endlich wieder stabilen Boden unter ihren Füßen zu wissen.
Waren in den Jahren zuvor jeweils nur sehr wenige der ihren zum anderen Kontinent gekommen, um erste Lager aufzubauen und die Landschaft auszukundschaften, die man zu erobern und dem Thron von Gradrech Untertan machen wollte, so waren diesmal zehntausende der besten Krieger ausgezogen. "Keine Experimente", so war die Meinung der Kriegsherren unter Vakaar gewesen, die von ihm den Befehl erhalten hatten, den Nachbarkontinent zu "befrieden". So war schließlich in dem Veteranen Guldarak, der sich schon in so mancher Schlacht bewährt hatte und der immer Siegesverwöhnt geblieben war, ein guter Anführer für dieses Invasionsheer gefunden worden, ein Anführer, vor dem selbst gehärteter Verdta-Stahl in die Knieh ging.

Dumpf dröhnten die Trommeln, schrill kreischten die Sänger und voll klangen die Hörner der Musiker, die den Takt für den Marsch des Heeres angaben. In diese tosende Musik stimmte recht bald ein leicht säuselnder Wind ein, der auch den ersten Schnee mit sich brachte, dem sich das Heer auf Dalatur ausgesetzt sah. Doch da die Orks von Natur aus keine Probleme mit niedrigen Temperaturen hatten, marschierten sie ungestört weiter. 25 schwere und dutzende leichte Geschütze – einige davon sogar sehr moderner Bauart mit Schießpulver betrieben – sowie etwa 2500 berittene Krieger auf Morkhas und ungezähltes Fußvolk, so sah die Heerschau des orkischen Imperiums aus. Zusätzlich gehörten noch etwa zweihundert Grantors zum Troß – jedes so groß wie ein Haus und mit schwerem Gerät, Nahrungsmitteln und einem halben Dutzend Reiter beladen.

Der Wind begann recht bald zu schneiden und zu pfeiffen, sodass Guldarak kurzentschlossen doch Halt machen ließ – das Heer befand sich in einem recht tief gelegenen Tal, in dem er sich vor den schlimmsten Winden und üblem Schneefall sicher wähnte. Doch noch während die Verankerungen der Geschütze in den Boden getrieben und die Zelte aufgerichtet wurden, verschlechterte sich das Wetter immer mehr. Wie von riesigen Händen ergriffen rissen sich die Zeltplanen loß, die ersten Geschütze stürzten um, die Tiere gerieten in Panik und gingen durch. In dem allgemeinen Chaos wurden hunderte von umherfliegenden Trümmern erschlagen, von irren Grantors zu Tode getrampelt oder wurden Opfer eines auf ein sicheres Versteck eifersüchtigen Mitstreiters. Vollkomen Schutzlos befand sich das Heer inmitten eines krassen Temperatursturzes, der zum Schneesturm ausartete. Schnell schwoll der Bach in dem Tal zum reißenden Strom an und blockierte jeden Rückzug. Immer noch hätte das Heer sich nach dem Sturm neu ordnen und weiterziehen können, doch die wahre Katastrophe stand noch aus: An den steilen Grantitwänden hing so viel Schnee und Eis wie seit Jahrzehnten nicht mehr und das aufkommende Unwetter kippte ganze Schiffsladungen der weißen Massen dazu – ein Lawine löste sich, schwoll zum weißen, alles erstickenden Inferno an und brauste über das Heer hinweg. Wer nicht sofort von der Wucht der weißen Wand erschlagen wurde, erstickte in den kalten Wogen des gefrorenen Meeres. Die wenigen Überlebenden, die sich zum Stützpunkt Huriokara retten konnten, berichteten später von Zähnen und Klauen, die sie in der seltsamen Lawine gesehen hätten. Man munkelt, der Schnee sei regelrecht über die orkischen Krieger hergefallen und hätte sie versucht zu zerfleischen.

Ich selbst war schon an diesem Ort, der hier beschrieben wurde (der Name bedeutet übrigens und habe mich dort umgeschaut – das Tal an sich ist etwa fünf Meilen lang und wird links und rechts von großen, steil aufragenden Steinwänden begrenzt. Der Talboden ist übersäht mit Trümmern, doch immer wieder ragt aus dem Boden ein schauerliches Zeugnis der Katastrophe, die sich hier ereignete: Ein in der Sonne ausgeblichener Knochen, eine verrostete Klinge, seltsame orkische Waffen oder der Schädel eines gewaltigen Lasttieres. Ab und an befindet sich auch – so mein goblinischer Führer – ein "böser Geist" im Boden, der vor Zorn mit Steinen und Rauch werfe, wenn man ihm zu nahen kommt – offenbar sind einige der Waffen noch einsatzbereit. Sie zu bergen wäre aber wahrscheinlich keine gute Idee, denn die Sippe der Krechen'Michan, die seitdem dieses Tal bewohnt und auch bewacht, meint, dass an einem solchen Ort, an dem so viele Wesen gewaltsam zu Tode gekommen seien, die Geister der Verstorbenen ein Plündern nicht zuließen.
Was immer in Margra Lok geschah, bedarf einer Erklärung – nicht, dass dieses Phänomen, dem ich eindeutig Einflüsse einräume, die nicht natürlichen Ursprungs sind, auf andere Gebiete übergreift, nicht das das geschieht, was so mancher Elfenfreund immer wieder prophezeihte: Die Natur hat sich angeblich gegen die Orks gewandt, da sie genauso der Technik folgten wie die alten Völker.
- Korrogan
Geschrieben am 16.02.2006 und zuletzt am 09.03.2006 verändert