Mystic-Legends – Artikel: Das, was die Ayo ausmacht

Inhalt

Das, was die Ayo ausmacht

Das Wesen der Ayo

Im Allgemeinen gelten die Angehörigen dieser Kultur bei anderen Völkern als recht verschlossen und zurückweisend, allerdings muss man hier einschränken: Aus religiösen Gründen – weil nämlich viele andere Kulturen noch in der Ewigkeit des Todes gefangen sind und sie noch nicht durch Galshor erlöst wurden, muss man als gläubiger Ayo um deren Seelen trauern, da sie nie das ewige Leben erkennen werden, welches der dunkle Gott zu schenken vermag – müssen sie sich Fremden gegenüber so verhalten, dass diesen keine Gefühle oder verborgenen Gedanken vermittelt werden. Aus diesem Grunde wirken in den Augen anderer Kulturen die Ayo oftmals als kalt und herzlos, als hätte sie schon im Leben das dunkle Grab ereilt.
Unter sich sind die Ayo allerdings ein sehr fröhliches Volk – sie glauben, mit der Hilfe ihres Gottes den Tod überwunden zu haben. Aus diesem Grund sind die immer zu Späßen aufgelegt, haben des Öfteren einen frechen Spruch auf den Lippen und veranstalten wilde Wettkämpfe auf „Leben und Tod“. In abenteuerlichen Mutproben beweisen sie sich gegenseitig, wie wenig Furcht vor den Gefahren des Dschungels sie kennen und auch wenn sie natürlich des Öfteren bei solchen Gelegenheiten den Verlust eines Menschenlebens zu beklagen hätten, werden stattdessen Totenfeste gefeiert, da der Gestorbene nun ein neues Leben führt.
Auch die Besitzstrukturen der Ayo führen zu einem sehr interessanten Lebensstil: Es gibt kaum persönlichen Besitz, Werkzeuge, Waffen – alles gehört der Dorfgemeinschaft. Genaue Regeln legen fest, wer wem welche Gegenstände wegnehmen und wer sie wieder zurückgeben darf. Die meisten Ayo kommen auf diese Weise vollständig ohne den Gebrauch von Geld aus. Auf einem solchen Untergrund haben natürlich Neid, Gier und Missgunst einen schweren Start – viele Verbrechen, die in anderen Kulturen beinahe alltäglich sind, wie zum Beispiel Diebstahl, Mundraub oder Überfälle sind bei den Ayo so selten, dass sie praktisch in ihrer Sprache keinen Namen tragen. Dafür wird das Durchführen eines solchen „namenlosen Verbrechens“ in der Gemeinschaft üblicherweise auch streng bestraft – Verbrecher erkennt man an fehlenden Zähnen (ihnen werden alle Zähne aus dem Gebiss geschlagen) oder verstümmelten Händen (um ihnen zu zeigen, dass persönlicher Besitz etwas heiliges ist, werden sie gezwungen, einen glühenden Stein aus dem Herdfeuer des Bestohlenen oder Beraubten zu nehmen und ihn zu sich nach Hause zu tragen).

Ernährung aus dem Dschungel

Da es in ihrem angestammten Lebensraum – Dschungel und Sümpfe – an geeigneten Flächen mangelte, haben die Ayo erst gar keine Landwirtschaft entwickelt. Stattdessen leben sie noch immer von einer seltenen Form des Jäger- und Sammler-Daseines. Nur stellenweise werden essbare Früchte angebaut, Farfok ist nicht nur wegen des ungünstigen Klimas vollkommen unbekannt. Stattdessen wird eifrig das Mark bestimmter Lianen gekaut, welches zwar so zäh und faserig ist, dass man immer wieder spucken muss, das aber letztlich doch über beinahe alle notwendigen Nährstoffe verfügt. Fisch und Insekten ergänzen den Speiseplan dieser Kultur – der ohnehin schon so fremdartig ist, dass viele Gesandte aus dem Norden meinten, sie müssten verhungern, wenn sie versuchen würden, den Fraß herabzuwürgen.
Großes Wild wird nur noch sehr selten erbeutet – zu lange schon leben zu viele der Ayo im Dschungel, der nicht in der Lage ist, eine solche große Nachfrage nach Fleisch zu decken. Stattdessen tauchen immer wieder große Raubtiere auf, die Jagd auf die Menschen machen und auf diese Weise dafür sorgen, dass sich die Ayo nur noch in kleinen Gruppen von ihren Dörfern entfernen.
Traditionell wird nur einmal im Monat eine große Jagd durchgeführt, an welcher dann auch alle Bewohner einer Siedlung teilnehmen. Während dieser Jagd wird alles erbeutet, was so dumm ist, den Jägern vor die Füße zu laufen. Schließlich, nachdem die Beute sorgfältig geteilt wurde, wird einen ganzen Tag gekocht und gepökelt, denn nur so kann man dafür sorgen, dass den ganzen Monat wieder Fleisch auf den Tisch kommen kann.

Lendenschurz und mehr

Angepasst an das Klima hat sich nicht nur die dunkle Haut und die schmale Statur der Ayo: Auch ihre Kleidung zeugt davon, dass sie in einer sehr warmen und schwülen Region leben, die aber genügend Schatten bietet, um auch Sonnenbrände nicht fürchten zu müssen. Diesem Umstand Rechnung trägt die Tatsache, dass so manchem Fremden als traditionelle „Tracht“ dieser Kultur als erstes der Lendenschurz aus dünnem Leder oder derbem Stoff einfällt. Die Frauen bedecken die Blöße ihrer Brüste meist mit kreuzweise gewickelten Tüchern denen man allerdings nachsagt, sie würden auch nur sehr weniges der Phantasie überlassen.
Zu festlichen Anlässen bemalen sich die Ayo mit hellen Farben am ganzen Körper – rot ist dabei den Männern, blau den Frauen vorbehalten. Reines Weiß ist zu solchen Gelegenheiten die Farbe der Priester. Die ornamentischen Linien folgen dabei bestimmten Körperpartien, die der oder die Ayo als besonders hervorstechend oder mächtig ansieht und sollen diese noch zusätzlich betonen.
Allerdings besitzt jeder Ayo noch einen knielangen Mantel aus dickem Stoff, auf welchem seine Lebensgeschichte aufgestickt ist. Mehr oder weniger wird dabei natürlich auch übertrieben und ausgeschmückt, doch kann man einen gewissen biographischen Hintergrund bei jedem dieser Unikate erkennen. Üblicherweise erhalten die Jugendlichen diesen „Prachtmantel“ beim Übergang in die Erwachsenenwelt mit ihren zusätzlichen Pflichten als Zeichen des Weges, den sie bis zu diesem Punkt bereits genommen haben.

Alltägliches Leben

Da es sich bei den Ayo größtenteils um Bewohner von waldreichen Sumpfgebieten, Flussauen oder dichten Dschungelregionen handelt, ist ihr Tagesablauf auch vom Leben in und mit der Natur geprägt. Schon der Umstand, dass alle Ayo ihre Bedürfnisse in einem abgetrennten Abschnitt des Waldes befriedigen, um die Siedlungen sauber und frei von unangenehmen Gerüchen zu halten, zeigt, wie eng sie noch mit dem Wald leben.
Auch der größte Teil der Nahrung, die Medizin, viele Baumaterialien für gewöhnliche Familienhäuser und Material für Werkzeuge und Waffen sucht man sich direkt in der nahen Natur – kaum ein Ayo käme auf die Idee, auf einem Markt nach geeignetem Bauholz für eine Hütte oder nach einem Schaft für einen neuen Speer zu suchen – die Natur gibt es und man nimmt es sich.
Da sie mit der Ankunft Galshors einen großen Teil ihrer animistischen Religion aufgaben, ist es mittlerweile nicht mehr üblich, stundenlange Rituale vor jedem Fällen eines Baumes und vor jedem erbeuten eines Tieres durchzuführen. Mittlerweile hat es sich eingebürgert, Galshor für das Wohl der Seelen der verletzten oder benutzten Lebewesen zu bitten und ihm ansonsten von jeder Beute und von allen im Wald gefunden Früchten und essbaren Wurzeln einen gewissen Teil zu opfern – auf diese Weise werden die Priester von der Bevölkerung mitversorgt und keine Reste werden mehr verschwendet.
Zur Mitte des Tages findet sich die losen Familienverbände meist um ein großes Feuer im Dorf zusammen und speisen gemeinsam, wobei die gefundenen, aus Lagerbeständen ergänzten bzw. auch mitunter gekauften Nahrungsmittel gleich unter allen Essern verteilt werden.
Nachmittags nehmen sich die meisten der Erwachsenen Zeit und kümmern sich um die Alten und die Kinder – es werden Geschichten aus alten Zeiten ausgetauscht, Lehrstunden gegeben, Waffenübungen durchgeführt und gemeinsam handwerkliche Arbeiten durchgeführt. Auf diese Weise schmiedet sich die Gemeinschaft immer mehr selbst zusammen: Das ganze Dorf nimmt an diesen Treffen teil und trägt sich so selbst.
Erst am Abend zerstreut sich das Dorf wieder – dann kümmert sich jede Familie um ihre privaten Angelegenheiten – üblicherweise werden zu diesem Zeitpunkt Familienfeiern vorbereitet, die Prachtmäntel weiter bestickt, persönliche Waffen mit aufwändigen Schnitzereien verziert und auch ein klein wenig Handarbeit in Dinge investiert, die man mit benachbarten Dörfern oder gar anderen Kulturen tauschen kann.
Geschrieben am 14.04.2007