Mystic-Legends – Artikel: Der Gott der Ayo

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Der Gott der Ayo

Galshor

Wer sich mit den Ayo auseinandersetzen möchte, muss diesen Namen auf alle Fälle mindestens einmal gehört oder gelesen haben, denn schließlich ist er der Gott dieses Volkes. Sehr schnell nach der Katastrophe tauchte er inmitten des Dschungels auf alten vergessenen Schlachtfeldern auf. Er animierte eine Armee der Toten und marschierte direkt auf die Hauptstadt der Ayo, Kraton. Dort wurde er sofort als der erkannt, der er war – ein Gott, ein mächtiges Wesen, gesegnet und verflucht gleichzeitig mit der Unsterblichkeit und durchtränkt von Macht und dunklem Wissen.
Galshors große Macht beruht neben seiner großen Anhängerzahl auch darauf, dass er definitiv Einfluss auf das Reich der Toten hat. Auf sein Wort hin erheben sich mächtige Wesen aus den Gräbern – Untote in Formen und mit Kräften, wie sie kein menschlicher Nekromant produzieren könnte. Die von ihm geschaffenen Gestalten überstehen mitunter Jahrhunderte: Aus der ersten Zeit seines Wirkens – noch lange bevor die Menschen und Zwerge ihre große Technik entwickelten – sind noch Mumien und Skelette erhalten, die er persönlich erhob. Sogar vollkommen erhaltene Leichname mit großer magischer Macht stammen zum Teil aus dieser sagenumwobenen Periode, in welcher die Ayo große Teile des Südens dominierten.
Dargestellt wird der Gott als gewaltiger schwarzhäutiger Mann mit einer totenkopfartigen Maske auf dem Hinterkopf. Doch auch das Gesicht wirkt immer maskenhaft und flach – die Augen starren ein wenig zu gerade, der Mund ist zu unbewegt, um echtes Leben darzustellen. Die wallenden dunklen Locken, die sich auf seinen muskulösen Schultern ausbreiten, die lang gestreckten Ohrläppchen, in denen stilisierte Fingerknöchelchen als Ohrringe stecken – alles ist ein wenig zu genau dargestellt, überall stimmen auch kleinere Details überein. Wer als Fremder zu den Ayo kommt, bemerkt nur zu schnell, dass hier sehr genaue Vorstellungen davon herrschen, wie Galshor aussieht.
Die einzige Eigenheit des Gottes, die kein noch so begabter Steinmetz darstellen kann, ist sein Gestank: Von dem Menschenhautmantel und der Kette mit noch immer umherblickenden Augäpfeln gehen Miasmen aus, die jedem noch so gewaltigen Kerl schier den Atem rauben. Es ist ein Gestank, der praktisch körperlich zu spüren ist, der seine Feinde an der Kehle packt und solange würgt, bis sie dem Brechreiz nachgeben oder die wahre Größe Galshors anerkennen. Er ist ein Gott – das lässt er jeden spüren.
Obwohl er eine sehr düstere Erscheinung darstellt, kann man ihm nicht unterstellen, das schiere Böse zu wollen. Galshor strebt nur in dritter Position nach weltlicher Macht. An erster Stelle steht die Errichtung einer festen Herrschaft, dann folgt die Bestrafung der Nolthar und erst an dritter Stelle will er Macht. Aus diesem Grunde ist er auch recht freizügig mit seinen Gaben – seine Priester erhalten große Mächte über Untote – nicht nur, dass sie diese kommandieren und beherrschen können, die meisten von ihnen können auch niederes Unleben erschaffen, während Hohepriester sogar in der Lage sind, ihre Macht über den Tod hinaus in Form eines belebten Leichnams zu retten.
Weitere Kräfte dieser Wesenheit liegen in der Manipulation der Dunkelheit und der Schatten. Belebte Schatten, die für die Ayo spionieren, für sie morden und für sie Schätze verstecken, gehören genauso zum Alltag wie wandelnde Wesen aus purer Dunkelheit, die in den Reihen der Feinde Angst und Schrecken verbreiten.
Trotz dieser recht eindeutigen Gesinnung dieses Wesens sehen die meisten Ayo Galshor als ihren großen Beschützer und Führer, der ihrem Leben einen Sinn gibt. Obwohl die meisten Ayo keinerlei Mitspracherechte oder Entscheidungsbefugnisse haben, fühlen sich doch alle in ihrem Glauben an den Erlöser vom Tod vereinigt. Sie sehen Galshor als denjenigen, der den Schleier des Todes entfernen und das ewige Leben schenken kann. Dementsprechend gilt es unter den Ayo auch als große Ehre, nach dem Tode wieder aufgeweckt zu werden.
Dunkelheit wird bei diesem Volk so verstanden, dass sie beschützt und wärmt, während die ewig präsente Sonne bzw. das Licht ausdörren und blenden. In einer merkwürdig verdrehten Ansicht von Wahrheit, Schutz und Heimat verstehen sie ihren Gott als Hüter der Gerechtigkeit und Beschützer der Schwachen. Aus ihrer Position heraus mag dies sogar die Wahrheit sein.

Galshors Diener

Einen zentralen Aspekt in der Kultur der Ayo nehmen die Priester des Galshor, die Ayonay ein. Von ihm mit nekromantischen Kräften ausgestattet, war es ihnen gegeben, die herrschenden Mächte abzusetzen und sich an ihrer statt an die Spitze der Gesellschaft zu katapultieren.
Traditionelle Tracht ist ein Wickelrock, über welchem ein farbiges Lendentuch mit Symbolen aus dem religiösen Zusammenhang ihres Kultes getragen wird – an diesem Tuch kann man auch über ein kompliziertes System aus Farbe, Bestickung und Material den Status des Priesters ablesen. Männer tragen die Brust frei, bei Frauen wird ein farbiges Tuch über Kreuz geschlagen, um zumindest etwas Brust zu bedecken. Der übliche Kopfschmuck ist eine Schädelkrone, die aus mehreren Schädelteilen zusammengesetzt ist und mit Federn, Blättern und weiteren kleinen Knöchelchen je nach Anlass geschmückt wird.
Die Ausbildung der Priesterschaft beinhaltet neben Fähigkeiten zur Rechtsprechung und zur Seelsorge auch einige alchemistische Lektionen, in denen sie Mittel und Wege kennenlernen, Krankheiten zu bekämpfen, gefährliche Gifte zu brauen oder aber das berüchtigte Schwarzwasser herzustellen, mit dem man besonders mächtige Untote erheben kann.
Die nekromantischen Kräfte der Ayonay belaufen sich üblicherweise auf die Erhebung und Kontrolle einzelner Leichen – mehr als eine handvoll Untoter wird man in den meisten kleineren Tempeln nicht antreffen. Erst die Hohepriester erhalten von ihrem Gott die Fähigkeit, mehrere Körper gleichzeitig um Unleben zu erheben und ihnen auch kompliziertere Kommandos zu geben. So kommt es, dass in einigen größeren Tempeln hunderte von ihnen in unterirdischen Kammern darauf warten, im Ernstfall die Gläubigen zu beschützen, im Falle einer Naturkatastrophe schnell einzuschreiten, bei Krieg zu den Waffen zu greifen oder einfach beim Errichten eines neuen Monumentes zu helfen.
Keinesfalls kann man sagen, dass alle Ayonay böse oder eigensinnig wären – die Lehre ihres Gottes Galshor besagt einfach, dass es seiner Freude und seinem Lobpreis dient, die Toten nicht mehr tot sein zu lassen, sondern mit neuem Leben zu erfüllen und sie den noch lebenden Ayo zu Diensten sein zu lassen. Aus diesem Grunde sehen sich auch die Priester des dunklen Gottes keinesfalls als Diktatoren oder unrechtmäßige Herrscher oder schlicht als böse Menschen – Nekromantie ist in ihrer Gesellschaft kein Verbrechen, sondern schlicht ein Gottesdienst.
Geschrieben am 14.04.2007