Mystic-Legends – Artikel: Kurzgeschichte

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Kurzgeschichte

Mit schweißnasser Stirn streifte sich Dorkas die Ärmel seines Hemdes nach oben und griff an seinen Gürtel. In der abgewetzten Ledertasche befanden sich wie immer seine Steine, mit deren Kraft er Dinge bewirken konnte, die einem normalen Menschen wohl auf immer verborgen sein würden.
Im Augenblick hatte er sich gegen die Schläger gut behaupten können, ohne auf seine Zauberei zurückgreifen zu müssen – er wollte ja ursprünglich nicht so viel Aufsehen erregen – doch er war nun in arger Bedrängnis.
Sie hatten ihm auf dem kurzen Weg von der Weinschenke zu seiner Herberge aufgelauert und wohl damit gerechnet, dass er durch den Genuss des süßen warmen Weines, der dieser kalten Tage in großen Krügen serviert wurde umnebelt und nicht mehr in der Lage sein würde, sich großartig zu wehren. Doch er hatte sich ganz tapfer geschlagen und einen der Strolche mit einem geschickten Tritt gegen die Brust zu Boden geschickt. Dann jedoch hatte sich das Blatt gewendet – seine Gegner hatten nicht das Ehrgefühl, sich ihm einzeln zum Kampf zu stellen sondern ihn schnell umkreist und in eine dunkle Seitengasse gestoßen.
Schnell rechnete er seine Chancen aus, mit einem Hilferuf aus dieser Sache herauszukommen, doch ihm war klar, dass an dieser Stelle mit Schreien kein Blumentopf zu gewinnen war – sie hatten keine Forderungen nach Geld oder Wertsachen wie Eisen gestellt, sondern einfach damit begonnen, nach ihm zu schlagen und ihm schon einige blaue Flecken verpasst. Er vermutete, dass sie ihm einen Denkzettel verpassen wollten, weil er bei seiner Nachforschung mehr erfahren hatte, als ihr Auftraggeber – wenn sie nicht auf eigene Rechnung handelten – wollte.
Schon kam der erste der Schläger auf ihn zugestürmt – ein fast sechs Ellen großer Klotz, anhand dessen Narben und krummer Nase Dorkas schloss, dass er sich schon in vielen Kämpfen erprobt hatte. Seine ortstypische Weste verbarg nicht die breite und behaarte Brust, unter den nun kräfte Muskeln spielten und eine deutliche Botschaft vermittelten: Leg dich nicht mit mir an.
Mit der linken Hand im kleinen Beutelchen streckte Dorkas die rechte Hand in Richtung des Angreifers aus und spreizte die Finger. Für diesen Trick war mittlerweile nicht einmal mehr eine lange Konzentration notwendig, allerdings war er sehr kräftezehrend. Nur gut, dass er die Nacht in stiller Meditation verbracht und Kräfte gesammelt hatte. Er spürte, wie kitzelnde Energien durch seinen Körper fluteten und sich dem Gegner entgegenwarfen. „Willst du das wirklich tun?“ – als hätten ihn diese Worte eines besseren belehrt, stoppte der Raufbold knapp vor ihm und wäre fast umgefallen. Seine Augen weiteten sich erkennend und aus seinem Mund kam wirres Gestammel. Dorkas konnte förmlich spüren, wie sich seinem Gegenüber die Nackenhaare aufrichteten. Furcht ist eine starke Waffe, wenn man sie einzusetzen weiß.
Der bullige Kerl stolperte einige Schritte rückwärts, wandte sich um und begann zu laufen, als habe er einen schrecklichen Daimon gesehen – nun, in der Tat: Er selber war gerade der Meinung, einem schleimtriefenden Monster gegenübergestanden zu haben.
Während zwei der übrigen drei Schlägertypen zurückwichen, kam nun offenbar die Anführerin der kleinen Truppe auf ihn zu – eine kleine gedrungene Frau mit tätowiertem Gesicht und bronzenen Ringen an den muskulösen Oberarmen. „Du Wicht kannst also Zaubern, was? Meine Mutter hat mich immer vor Zauberern gewarnt und so sei froh, dass ich als schlaues Mädchen auf meine Mutter höre. Sei aber gewarnt, deine Nase nicht in die Angelegenheiten anderer zu stecken, sonst wird es dir schlimm ergehen. Nicht nur du bist in der Lage, die Kraft zu kontrollieren.“ Nach diesen Worten schnippte sie mit den Fingern und alles um Dorkas herum wurde dunkel – ein stechender Schmerz im Hinterkopf ließ die Welt um ihn herum rotieren und zwang ihn in die Knie.
Während er langsam wieder klar sehen konnte, stand er auf – offenbar hatte er eine ganze Weile benommen an der Hauswand gelehnt. Offenbar war er noch einmal mit dem Leben davongekommen – auch wenn ihn sein schmerzender Kopf daran zweifeln ließ, ob er darüber wirklich glücklich sein durfte. Wenigstens hatten sie ihn nur einmal geschlagen – denn die blutende Wunde an seinem Hinterhaupt stammte eindeutig von einem Hieb mit einem Knüppel oder einem Stein – und nicht, wie sie es gekonnt hätten, in die Arme eines Heilers oder gar Totenpriesters geprügelt. Langsam, um die Welt nicht noch einmal in Versuchung zu führen, sich so widerlich zu drehen, ging er heim in die Herberge.

Dort angekommen musste er sich den prüfenden und kritischen Blicken von Meria, seiner Meisterin, unterziehen. Sie war genauso in der Stadt unterwegs gewesen wie Dorkas, doch hatte sie anscheinend weniger Erfolg bei der Suche nach Informationen. Mehrmals musste er ihr beschreiben was vorgefallen war und ihr erzählen, was er in der Weinschenke herausfinden konnte.
„Also haben sie sich mit diesen Banditen verbündet – anders kann ich mir nicht erklären, wie sie die Schiffsladungen ungesehens abtransportieren konnten. Dies soll aber nicht unsere oberste Sorge sein, du hast etwas von einer Hexe erzählt, die sich ihnen angeschlossen hat und die über Macht über die Geister anderer Menschen gebietet. Ich fürchte, unsere Aufgabe wird nun sein, diese Person ausfindig zu machen und sie zu befragen, was sie mit den Kisten der Gilde vorhaben – eventuell war es nur ein Missgeschick und sie wissen gar nicht, was sie da in ihren Händen halten, aber es kann auch sein, dass sie mit den Schriftrollen Böses im Schilde führen. Auf alle Fälle sollten wir uns mit unserer Geschichte zum Stadtvogt begeben und ihm erzählen, was wir über die Schmugglerbande herausgefunden haben. Eventuell gibt es uns aus seiner Garde ein paar Reiter, die uns helfen können, die geplante Falle zu stellen.
Nun aber sitzt ruhig und zappel nicht so – wenn du in deinen Lektionen aufmerksamer wärst, könntest du nun die Wunde selber behandeln. So aber bleibt die Versorgung wieder an mir altem Mann hängen.“
Obwohl Meria nicht einmal fünfzig Jahre zählte und es letztlich nicht so griesgrämig gemeint hatte – in ihrer Stimme klang mehr Sorge als Verärgerung, fügte Dorkas sich still in sein Schicksal. Seine Lehrerin ergriff ihren abgegriffenen Stein, auf dem aber noch immer ihre blaue Rune glomm und sich zu winden schien und murmelte eine Weile vor sich hin. Der Schmerz in seinem Hinterkopf ließ deutlich nach, dennoch war ihm noch nicht ganz wohl bei der Sache.
„Das nächste Mal passt du besser auf, aber du scheinst Glück gehabt zu haben – es ist nichts schlimmes passiert und übermorgen solltest du gar nichts mehr davon spüren.“
Das sind die Wunder der Magie.
Geschrieben am 15.02.2006