Mystic-Legends – Artikel: Taranische Stimmungen I

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Taranische Stimmungen I

Ta’Ran. Wo beginne ich, wenn ich schildere, wie wir heute Ta’Ran sehen? Am besten gebe ich ein paar von den Dingen preis, die wir von anderen Kontinenten wissen. Auf Pak’Sha lebt man noch recht gemütlich, wenn man einmal von dem wachsenden Einfluss der Orks im Norden absieht. Hunger und Krankheiten sind hier nicht so verbreitet wie in anderen Gegenden. Generell soll dies aber ein Überblick sein, der deutlich macht, unter was für Problemen vor allem die Menschen unserer Welt zu leiden haben. Über den gesellschaftlichen Zustand anderer Rassen vermag ich nicht viel zu sagen, da aber unsere Welt ein kompliziertes Geflecht darstellt, wo sich das Übel der einen als der Fluch der anderen erweisen kann, kann man sehen, dass wir in schwierigen Zeiten leben.

- Yarhena von Mingol, Wissende
Einst war Ta'Ran eine blühende Welt voller magischer Geheimnisse, angefüllt mit technischen Schätzen, klugen und mutigen Köpfen. Auf dieser Welt florierte der Handel, herrschten Mensch und Zwerg vereint über die Weiten der Länder. Mit der Erfindung der Dampfmaschine durch einen zwergischen Gelehrten aus Dalatur machten die Völker große Sprünge: Die Orks wurden zurückgeschlagen und in entlegene und extrem kalte Gebiete zurückgedrängt (in die Karuschei auf Dalatur, den Dornenthron auf Pak'Sha, die Insel Turakor), an denen niemand außer ihnen und ein paar „zurückgebliebenen“ Zwergen und Elfen Interesse hatte.

Dann kam es zu gewaltigen Umstürzen (die allesamt in der Geschichtsschreibung näher beleuchtet wurden) und die Reiche zerbrachen, alles versank in dämonischem Chaos. Die Menschen und Zwerge wurden aus den alten hoch entwickelten Städten vertrieben, zum Teil brutal dahingeschlachtet, ihres Wissens um die alte Technik beraubt und mitunter bis in die Bronzezeit zurückgeschleudert. Zu allem Überfluss sah die Magiergilde Ta'Rans (oder besser gesagt ihre Reste) eine große Chance, ihren Einfluss über die Technik zu heben, hinter der sie jahrelang gestanden hatten: Sie verboten die Lektüre alter Bücher für alle Wesen, die nicht der Gilde angehörten und sicherten so ab, dass die alte Technik nicht wieder hergestellt werden konnte.

Den folgenden Text konnte ich einem Tagebuch entnehmen, das uns ein Wanderer vermacht hatte. Viele Leute hören davon, dass wir eine Möglichkeit bieten, Bücher und Textfragmente loszuwerden, ohne sie verbrennen zu müssen. Die Gefahr, die von geschriebenen Worten ausgeht, darf von der normalen Bevölkerung nicht unterschätzt werden, dennoch erzeugt es in vielen ein mulmiges Gefühl, Texte oder gar alte Artefakte einfach zu vernichten. Vermutlich wurde das Tagebuch von einem Abenteurer geschrieben, der auf Dalatur in alten Ruinenstädten herumstöberte – nur der Bewahrer weiß, was ihm schließlich widerfahren ist.

»Ich kroch durch den Staub in den Schatten eines eingestürzten Gebäudes, offensichtlich ein Bürgerhaus. Es besaß wohl einst perfekt glatte Wände. Irgendwo summte eine Maschine, die ihr Leben beim Angriff der Daimon doch noch nicht aufgegeben hatte. Ich löste meinen Wasserschlauch von dem Riemen, mit dem ich ihn mir umgehangen hatte, und trank wie ein Kamel.

Als ich meinen Durst endlich gestillt hatte, betrachtete ich die Straße: Überall lagen Müll, Reste der vernichteten Zivilisation und Trümmer herum. Ein paar Ratten hatten ihr Nest in einem Müllberg errichtet, aus dem auch einige Knochen ragten – hier hatten die Verbliebenen Bewohner der Stadt ihre Toten zusammengetragen, die Schleifer der Siedlung hatten ihnen allerdings nicht genug Zeit gelassen, sie würdig zu beerdigen. So mussten sie hier liegen gelassen werden. Andere Berichte erzählen von einer Seuche, die die Menschen wahnsinnig gemacht hat und die dazu geführt hat, dass sich ganze Stämme gegenseitig erschlugen.

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, ich musste die anderen finden. Also stand ich mühsam auf und schwankte wieder aus dem ohnehin immer schmaler und wärmer werdenden Schattenfleck. Ich hatte Glück: Durch den Geruch von Staub, Asche und Verwesung, den man in diesen alten Siedlungen immer finden kann, hindurch roch ich den Duft frischen Bratens. Ich beschleunigte meine Schritte und erreichte endlich, nachdem ich über ein Trümmerfeld gestiegen war und mich durch ein verlassenes und noch nicht eingestürztes Haus geschlichen hatte, die Lagerstelle. Nie wieder würde ich mich weiter als auf Rufweite von den anderen entfernen, dass hatte ich mir bereits zu dem Zeitpunkt geschworen, als ich bemerkt hatte, dass ich die anderen nicht mehr finden konnte. Nun aber freute ich mich an dem dreckigen Grinsen Fredis und dem höhnischen „Na? Wo warst du? Wir haben fast alles allein essen müssen!“ von Talja, dem dreckigen Grinsen und der Art von Bemerkung, die mich in den letzten Tagen verdammt nah an den Rand des Wahnsinns zu bringen vermochten.

Wortlos setzte ich mich auf die leere Kiste, die Fredi oder Talja als Sitzmöglichkeit aufgetrieben hatten und nahm von dem großen Mann einen fetttriefendes Fleischbrocken entgegen. Nachdem ich mich gesättigt und mich die beiden mit fragenden Blicken durchbohrt hatten, packte ich langsam und genüsslich die Beute aus dem Rucksack (den ich auch unter dem Müll gefunden hatte): Drei voll aufgeladene Energiezellen, vier leere Zellen, eine kaputte Taschenlampe (ich erzählte den anderen allerdings nicht, um was für ein Gerät es sich handelte), eine Dose Schießpulver (es war sogar noch fast trocken) sowie ein angerissenes Päckchen mit Bleikugeln.

Ungläubig beugten sich die beiden über den kleinen Berg von alten Artefakten, streckten die schmutzigen Finger danach aus, doch ich zog die Beute schneller als sie fassen konnten, wieder zu mir heran und verstaute sie eifersüchtig in meinem Rucksack. Dann gingen wir wortlos schlafen, allerdings dachte sich sicherlich jeder seinen Teil. Diese Nacht war ich besonders wachsam und schlief kaum, mit der Hand immer mein Messer umklammert, wohl wissend, dass es mir gegen Fredis Waffe (ein altes Artefakt) nur wenig nützen würde. Aber ich würde meine Haut und meine Beute so teuer wie möglich verkaufen...«

- Yarhena von Mingol, Wissende

Geschrieben am 12.03.2008 und zuletzt am 15.03.2008 verändert