Mystic-Legends – Artikel: Erste Schritte

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Erste Schritte

Die gewaltigste Kultur in Verbreitung und Einfluss auf Ta’Ran stellen noch immer die Nolthar dar. Doch ihre Macht ist nicht mehr das, was sie einst war – durch die Katastrophe ihrer technischen Überlegenheit beraubt müssen sie nun durch ihre wirtschaftliche Kraft an Einfluss gewinnen. Nicht immer sind ihre Ziele und Bemühungen von Erfolg gekrönt und längst nicht alle Konflikte können sie wagen, mit Gewalt anzugehen. So ist aus dem einstigen Imperium ein vorsichtiger Taktierer und Diplomat geworden, ein Händler, der versucht, fremde Länder an sich selber zu verkaufen. In dieser Rolle sehen sie sich zwar nicht gerne, doch muss man auf alle Fälle zugeben, dass das einstige Imperium zerschlagen wurde und dass heute regionale Herrscher anstelle der einstigen Vasallen des allmächtigen Rates getreten sind.

Verbreitung

Die Nolthar halten weite Teile Dalaturs fest in ihrer Hand: Vom Zentrum mit dem Bingenfeld bis weit in den Norden der Region Calomer sowie der gesamte, allerdings nur dünn besiedelte, Süden des Kontinentes steht unter der Macht dieses Volkes. Daneben ist Syan der Kontinent mit den meisten noltharischen Bewohnern – von den ehemals sieben Laos werden zwar nur noch sechs von ihnen gehalten, aber auch diese bilden gemeinsam mit den Regionen im Süden des Kontinentes eine beeindruckende Fläche. Auch auf der großen Insel Menakal im Perlenozean südlich von Syan haben sie Land an sich gerissen, müssen sich aber immer wieder der Vorstöße der Ayo erwehren, die ebenfalls großes Interesse an dieser strategisch wichtigen Position haben und gern die komplette Insel unter ihrem Kommando wüssten. Nicht mehr direkt unter die Herrschaft der Nolthar zählt allerdings das Gebiet, welches ihre südländischen Abkömmlinge auf dem Kontinent Nodora als ihren Machtbereich verstehen – sie selber nennen sich zwar noch Nolthar, doch werden sie vom Rest dieser Kultur nicht mehr anerkannt und höchstens als Verwandte angesehen. Mit dem kleinen Außenposten in Darkjol auf Pak’Sha sowie dem Viertel der Nolthar in Ban’mor auf Mesaron wäre dann allerdings eines wahr: Würde man Nodora zu den noltharischen Gebieten zählen, hätten sich Vertreter dieser Kultur wahrlich auf allen Kontinenten Ta’Rans niedergelassen.
Da sie zu vielgestaltig ist und da zu viele regionale Interessen bestehen, kann man natürlich keine eindeutige Hauptstadt dieser Kultur festmachen. Derzeit existieren ganze vier Städte, welche versuchen könnten, sich diesen Rang anzueignen: Tar’Akbar und Tar’Nolthar liegen auf Dalatur, beides mächtige Stadtstaaten, deren Macht sich auf dem Reichtum begründet, den sie durch den Seehandel erworben haben. Daneben existiert auch noch Tirgash und Tirjana auf Syan – beiden Städten ist zueigen, der Sitz einer mächtigen Institution zu sein, deren Macht zum Teil noch weit über die Nolthar hinaus wirkt. Tirgash ist der Sitz des Rates der Tausend, welcher den Kirchen des Viererkultes vorsteht. Außerdem erlangte diese Stadt Berühmtheit durch die Tatsache, dass hier das Edikt der Magier entstand, keine alte Technik und vor allem kein altes Wissen mehr zu tolerieren. Ebene jene Magier sind allerdings mittlerweile in die andere mächtige Stadt Syans weitergezogen: Tirjana wurde der neue Sitz des Gildenrates des Ordens vom Allsehenden Auge, welchen man landläufig eben als „die Magiergilde“ kennt.

Die vielgestaltige Kultur

Da die Nolthar über so immense Gebiete verbreitet sind, bilden sie keine homogene Kultur mehr. In der Tat unterscheiden sich die Gebräuche und Sitten teilweise so gewaltig, dass man bestimmte Regionen nicht mehr den Nolthar zurechnen würde, wenn sie nicht allgemein von den anderen als solche angesehen und sich auch selbst so nennen würden. Neben diesen eher regionalen Unterschieden gibt es auch eine Reihe von Subkulturen, welche sich darüber erheben: Die Metropolisten der großen Städte leben in einem ganz anderen sozialen Gefüge und Umfeld als die Sipper im Binnenland und die Seefahrer an den Küsten. Vor allem in ländlichen Enklaven bilden sich andere Prinzipien und Gesetze heraus als in den größeren Siedlungen.
Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass die Metropolisten einen stärkeren Hang zum Individualismus haben – sie müssen sich aus der Masse herausheben, müssen sich selber inszenieren und darstellen. Meist halten sie sich mehrere Sklaven – und sei es nur als Statussysmbol. Darüber hinaus sind sie gewohnt, dass es eine schlagkräftige Truppe von Ordnungshütern gibt, die von der Stadtregierung dafür bezahlt wird, die Einhaltung der Gesetze zu überwachen und die Stadt vor Angriffen von außen wie innen zu beschützen. In der Regel sind die Angehörigen dieser Subkultur auch gewohnt, mit einer großen Anzahl anderer Menschen zusammenzuleben, die sie nicht kennen – auch große Gebäude, enge Gassen oder gar Gegenden, in denen so dicht gebaut wurde, dass man das Tageslicht nicht mehr erkennen kann, stellen für sie kein Problem, sondern eher die Norm dar. Darüber hinaus neigen sie eher zur Spezialisierung, wiederum, um sich von der Masse der übrigen Mitbewerber abzuheben, die ähnliche Produkte herstellen und anbieten.
Die Sipper sind dagegen eine deutlich verschworenere Gemeinschaft: Ihnen bleibt meist gar nichts anderes übrig, als sich in das Gefüge ihrer kleinen Siedlung einzuordnen und nicht allzu groß aufzufallen – die ungeschriebenen und geschriebenen Gesetze ihrer Heimat befolgt jeder, denn es droht Strafe durch einen viel schärferen Wächter als in der Stadt: Die Verteidigung der Regeln und die Bewachung der eigenen Schätze übernimmt hier praktisch jeder Einwohner. Da nun jeder jeden kennt, ist es auch viel schwieriger, sich im Falle eines Regelverstoßes gesellschaftlich von einer Strafe zu erholen. So rückt man enger zusammen und ist stets darauf bedacht, sich als nützliches Mitglied dieser Gemeinschaft zu erweisen, welche doch neben Schutz und Unterschlupf auch beinahe die einzige Verdienstmöglichkeit darstellt: Wo in den Metropolen fleißig Handel betrieben wird und man Waren aus fremden Ländern erhalten kann, wo Schiffe voller Schätze anlegen und wo Karawanen vor den Toren warten, ihre Last loszuwerden, sind die Dörfer der Sipper nur selten ein Ziel eines Händlers – zu wenig ist hier zu holen, zu groß ist der Eigenbedarf im Verhältnis zu den produzierten Waren. Wenn dann noch eine unglückliche Ernte oder der Überfall von Ogern oder ähnlichen Monstren dazukommt, kann ein solches Dorf kaum noch etwas bieten.
Die Seefahrer sind natürlich wieder etwas gänzlich anderes: Ihr Leben wird weniger vom Miteinander mit anderen Dorf- oder Stadtbewohnern bestimmt als vielmehr von ihrem Leben und Überleben auf dem Wasser. Ob sie nun aus einer großen und mächtigen Stadt stammen oder aus einem kleinen Küstendorf, spielt für die meisten Nolthar, die der seefahrenden Subkultur angehören, weniger eine Rolle. Für sie zählt der Zusammenhalt und die Hierarchie auf dem Schiff – alles, was in ihrer Gesellschaft durch Gesetze geregelt ist, gilt für die Verteilung der Waren, für die Aufgaben beim Segeln oder Rudern, für die Reihenfolge, in der beim Anlanden Ladung gelöscht oder aufgenommen wird und natürlich wohin und vor allem auch wie gefahren wird. Man munkelt, dass diese Subkultur die bei weitem mächtigste innerhalb der Nolthar ist, stellen sie doch mit ihrer Flotte das Rückrat des Handels dar, doch wird dabei oft übersehen, dass in der Regel die Sipper für die Nahrungsmittelversorgung und die Metropolisten für die wertvollen Waren zuständig sind. Gäbe es nur noch die Seefahrer, so gäbe es keinen Handel, keine Konjunktur mehr. Typisch für diese Kultur ist ein recht strenges Denken in geordneten Hierarchien und natürlich eine gesunde Profitgier. Wer sich dem Dogma des Handels nicht unterordnet, kann kein ordentlicher Seefahrer sein – aus diesem Grunde ist es hier üblich, beinahe über alles einen Handel abzuschließen: Selbst einfache Gefälligkeiten oder Dienste werden in Form von Transaktionen durchgeführt. Einzig die Sklaven, die aus der Hierarchie herausfallen, da ihnen keine Aufstiegsmöglichkeiten gegeben sind, müssen ihre Dienste ohne eine entsprechende Gegenleistung erbringen.
Neben diesen drei größeren Subkulturen existieren noch weitere kleinere Typen von Nolthar, die hier der Vollständigkeit halber kurz erwähnt werden sollen. Die Treiber sind meist Überreste alter Armeen oder größerer Räuberbanden – sie rotten sich zu dutzenden zusammen und überfallen immer wieder kleinere Landstriche. Dabei werden diese allerdings nicht entvölkert, sondern einfach „eingenommen“. Wer sich wehrt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Erst wenn das Land ausgezehrt ist, alle Beute zusammengescharrt wurde und auch kein Vieh mehr zu verschleppen ist, ziehen die Treiber weiter. Außerdem existieren noch die seltenen Dreckfresser die sich selber als die Sammler bezeichnen. Sie ziehen ebenfalls in mittelgroßen Gruppen durch die Lande und fallen wie ausgehungerte Heuschrecken über Felder und Dörfer her. Gastfreundschaft wird schamlos ausgenutzt und jede noch so kleine Gelegenheit, eigene Vorräte unangetastet zu lassen, wird gern angenommen. So schmarotzen sie sich durch die Lande – nur eines hält die meisten Sipper und Metropolisten davon ab, Sammler zu erschlagen, sobald sie ihrer habhaft werden: Erstens kennen sie gegen viele Krankheiten und Leiden des Alltages gute Arzneien und zweitens handeln einige von ihnen unter der Hand mit alter Technik – was ihnen natürlich genauso gut auch viel Ärger einbringen kann.
Geschrieben am 15.04.2007